Fern von daheim

 

Bunte Reisegeschichten

 

 

 

Santa Claus und die Kokosnuß

 

 

Weihnachten auf den Malediven

 

 

 

 

 

 

1986, oh je, und doch ist die Erinnerung so präsent.

In diesem Jahr 86 ging alles daneben, meine Ehe wurde geschieden, ich holte mir einen Sehnenriss im rechten Fuß und im Job lief es auch nicht so prickelnd. Jetzt blieb mir nur noch die Aktion „Champagnerlaune“: Bilder der Erinnerungen von den Wänden reißen und sich heulend, voller Selbstmitleid, in den Kissen wiederfinden.

Nein Ulrike, Schluß jetzt mit der Heulerei, ein Zwilling (Sternzeichen) lässt sich nicht so leicht endmutigen, da gab es das Angebot meiner Schwester Heike: „Komm Schwesterherz, pack deine Badesachen, wir fliegen gemeinsam überWeihnachten auf die Malediven, abschalten und vergessen“. Die beste Idee bevor ich die Feiertage in Depressionen versinke. Ich packte die Koffer, verabschiedete mich von meinen lieben Eltern, die ich schweren Herzens allein in Düsseldorf zurückließ und flog mit Vorfreude auf schöne Feiertage nach München.

Bereits am nächsten Tag stand der rot-weiße Weihnachtsflieger zum einsteigen bereit, Zielflughafen Hulule, Malediven. Beinfreiheit in der ersten Reihe, Kopfkissen, frischer duftender Kaffee und ein Pläuschchen mit Kapitän und Copilot waren in 8 Stunden Flug inbegriffen, Warum? Meine Schwester, die ich – weil 6 Jahre älter  – liebevoll Flöhchen nenne, ist Chef–Stewardess und ich befand mich, mit ihrer sehr netten Crew, auf einem 8 Tage-Stop im Indischen Ozean.

Den Anflug durfte ich im Cockpit miterleben. „Welche der vielen Inseln bitte istnun der Flughafen Stefan?“ „Dort die lange schmale Insel, daneben liegt direkt Male, die Hauptstadt der Malediven“. Drumherum türkisblaues, klares Wasser,der Ozean sah aus dem Flugzeug aus wie eine Badewasser und darin schwammen hunderte Spiegeleier, so sahen die Inseln von oben aus.

Erdkunde: es sind 19 Atolle und 1195 Inseln, wovon 202 bewohnt sind

Mein Herz klopfte vor Freude und schon landeten wir zielsicher auf der kleinen Flughafeninsel.

In München noch 4 Grad Minus, jetzt 34 Grad Plus, die Sonne brannte gnadenlos vom Himmel.

Das Dony, ein kleines Holzboot mit fragwürdig knatterndem Außenmotor, Sitzplätzen in der Mitte und darüber, zum Schutz vor der SONNE, ein auf Stäben gespanntes Stofftuch, erwartete uns und los ging die Bootsfahrt zu unserem Hotel!!! Für mich tat sich eine wundervolle neue Welt auf.

Das Badewannenwasser war in Wirklichkeit noch sauberer, noch blauer. Ich tauchte meine Hand hinein, es war wohlig warm. Fliegende Fische begleiteten uns, sie sprangen in hohem Bogen aus dem Wasser und tauchten parallel zu unserem Dony wieder ein. Vergessen waren plötzlich meine Sorgen, ich fühlte mich glücklich, nahm vor Freude meine Schwester in die Arme und flüsterte ihr ins Ohr: „Danke Flöhchen.“

Langsam steuerte unser Boot auf die Insel Farubonifushi zu und legte voreinem langen, weit ins Wasser reichenden Steg an.

Wer die Malediven kennt, der weiß, dass sich auf weißem, feinen Sand bis zu 20-30 kleine Häuschen befinden, die Hotelzimmern. Dann gab es eine überdachte Terrasse „den Speiseraum“, eine kleine überdachte Bar und viele Stühle und Sonnenliegen türkis-weiß gestreift, standen munter verstreut unter riesigen Bambusschirmen am Strand. Schatten boten Kokospalmen sowie Papaya- und Bananenbäume.

Wir zogen in eine wunderschöne Strandvilla ein, am Eingang begrüßten uns die Echsen „Geckos genannt“, der schwere Duft von Räucherstäbchen erfüllte den eher karg eingerichteten Raum und das Bad befand sich unter freiem Himmel, einfach hinter unserer Villa mit „ Soundgarantie „ rechts und links zu den Nachbarvillen. Was soll’s, Hauptsache eine Dusche und klares, sauberes Süßwasser aus der Zisterne.

Vor unserer Villa lud eine kleine Terrasse mit Sonnenliegen zum faulenzen ein und nur 5 Schritte entfernt rauschte der Indische Ozean. Das Paradies auf Erden!

Die nächsten Tage waren äußerst entspannend. Wir frühstückten herrlichduftenden englischen Tee mit Toast und dazu frische Früchte – Papaya, Mango,Ananas, Bananen. Energie machte sich in meinem Körper breit, die Sonnebräunte meine Haut und meine kranker Fuß wurde klobig durch den Sandlauf.

Wir spielten stundenlang Back Gammon, Strandvolleyball und Bingo. Abends aßen wir warmes Baguette mit Knoblauch zu frischem Fisch. Köstlich!!

Sehr beruhigend unsere Leseorgien in den Hängematten und die anschließenden Tauchgänge. Dort begleiteten uns Schwärme bunter Fische.

Und dann kam er, der Heilige Abend. Unser Programm war bereits seit Tagen gut geplant, wir freuten uns, das gesamte Crew Team, auf ein exklusives Christmas Dinner auf der Nachbarinsel Club Med. Dazu hatten wir ein Dony vorbestellt, welches uns am Abend übersetzen sollte.

Heiligabend Morgen, der Tag begann mit grau verhangenem Himmel, aber 40 Grad Hitze. Egal, wir frühstückten alle gemeinsam lang und ausgiebig. Dabei wurden  Weihnachtsgeschichten erzählt, von Peterchens Mondfahrt bis Gänsebraten, von Plätzchen bis Schneegestöber. Plötzlich fiel mir unsere große rote Keksdose ein. Sie war noch mit Klarsichtfolie und silberner Schleife geschmückt und verbarg viele Köstlichkeiten.

Schnell rannte ich zu unserer Villa und kam mit dieser Schatztruhe zurück. „Lasst uns doch jetzt schon mit dem Naschen beginnen“ schlug ich vor und öffnete den Deckel. Ein kaum zu beschreibender Duft von Zimt, Vanille, Kokos und Lebkuchengewürz stieg in unsere Nasen und entlockte allen ein wohliges  OH oder AH.

Wir schwelgten in Weihnachtsnaschwerk, erzählten noch stundenlang weiter,und entschlossen und dann zu einem Weihnachtsschläfchen. „Lass uns nun mitdem Schönheitsprogramm beginnen“ weckte mich meine Schwester „ ich hol einen Milchcafe und dann machen wir uns es bis zum Abendprogramm richtig gemütlich“.

„Heike“, ich lauschte dem eintönigen aber stetigen Trommeln auf unserem Bambusdach, „ich glaube es regnet!“ „Tatsächlich,“ sagte meine Schwester ziemlich unerschrocken, „das passiert schon mal in dieser Jahreszeit, aber in einer Stunde hört es ganz bestimmt wieder auf“ „Ich laufe schnell in die Bar, dusche Du doch schon mal“. – Gesagt, getan und schon war meine Schwester verschwunden.

Ich duschte unter freiem Himmel, dabei war kaum zu unterscheiden, ob nun das Wasser aus der Dusche kam oder vom Himmel fiel .Im Bademantel auf unserer Terrasse sitzend, naschten wir leckeres Spritzgebäck und tranken Milchcafe. Was das Weihnachten? Kam das gleiche Gefühl wie Zuhause auf? Half mir der Schokoladenweihnachtsmann weiter? Nicht wirklich, aber wir beide waren glücklich, zufrieden und genossen das Miteinander.

„So“ störte Heike unsere besinnliche Stunde „ jetzt dusche ich und dann machen wir uns mal langsam charmant.“

Plötzlich tat es einen lauten Schrei, meine Schwester kam lachend aus der Hütte mit schaumigem Kopf. „Das auch noch, kein Wasser mehr in der Dusche“. Jetzt rannte ich vor zur Rezeption und fragte nach, tatsächlich war das Wasserkontingent aufgebraucht, zu viele Weihnachtsduscher. Meine arme Schwester. Sie machte aus der Not eine Tugend, sprang kurzerhand in den Ozean und wusch sich den Kopf. Dann gab es eine kleine Nachspülung mit Regen, denn er wollte nicht aufhören, ganz im Gegenteil, es wurde immer schlimmer.

„Was machen wir mit unserem Dinner Heike?“ fragte ich.

„Ich laufe zur Rezeption und wir verschieben unsere Abfahrt um ½ Stunde!“ Geniale Idee, die mussten wir nun noch rechts und links zur Crew weiterleiten.

Unsere Schönheitsaktion setzten wir unbeirrt fort. Nach einer Stunde kam dernächste Lagebericht, noch mal ½ Stunde schieben, einverstanden, wir habenZeit! Es wurde langsam dunkel und wir trafen uns schön gestylt in der Bar.

Jetzt gab es kein zurück, unser Tisch zum Christmas Dinner war bestellt und auch das Boot wartete. So stiegen wir mit gemischten Gefühlen ins Dony, stellten die Taschen und Schuhe in die Mitte unter eine Plastikplane. Der Regen wurde immer heftiger, das Boot schwankte durch die Dunkelheit.  – Lieber Gott, wo bitte war unsere Weihnachtsinsel?

Keiner sprach ein Wort, eng aneinandergerückt trotzten wir dem Wetter mit mulmigen Gefühl in der Magengrube. Plötzlich tauchte die Insel vor uns auf. Hörbau lautes Aufatmen. Und doch immer noch das mulmige Gefühl.

Es goss mittlerweile wie aus Eimern und unser Boot legte mal wieder am langen Steg – Stefan, der Copilot gab fröhlich Kommando: „Schuhe in die Hand nehmen und rennen.“ Der hat gut Reden, unsere Frisur, unser Make-up , wie sehen wir am Weihnachtsabend aus ?

Es gab kein zurück, Rock zusammenraffen (es waren weite, lange Tellerröcke)und los, wir rannten wie die Weltmeister bis in die Halle des Clubs. Styling ade!

Im Ladies Wash-Room trafen wir uns wieder. Die Haare hingen wir Spagetti herunter, die Wimperntusche war verlaufen und die schönen Kleider pitschnass.

Schon so spät, der festliche Abend sollte beginnen und wir mussten uns „restaurieren“. 

„Das schickt uns der Himmel“, ich tat einen erleichterten Ausruf, „ein Lufttrockner für Hände, und davon noch 3 Stück, Mädels dies ist unsere Rettung.“ Kaum zu glauben, Kopf drunter und Haare trocknen, dann war meine Tellerkleid dran und die Jacke, zu guter Letzt das Make-up neu gerichtet.

Genauso taten es die anderen nach. Schnell und  auch herzhaft lachend.

Merry Christmas.!!

Die Männer, unsere Piloten hatten es doch ein wenig einfacher. Jetzt waren wir nicht mehr so wunderschön, aber das sollte uns den Abend nicht vermiesen. Also ab ging es in die Cocktailbar.

Es begrüßte uns eine lebende Krippe, wobei das Jesuskind eine Puppe war, Ochs und Esel aber fehlten.

Auf indirekt beleuchten Glastischen präsentierten sich die herrlichstenFruchtcocktails in Ananasdrinks, Kokosmilchcocktails, überdimensionaldekoriert mit Palmenblättern und es schmecke „göttlich“. Nach all dem Stress sprühten wir plötzlich vor Heiterkeit. Tat der Cocktail schon seine Wirkung?

Der Speisesaal war riesengroß und rund, die Wände weiß getüncht und darüber ein gewaltiges Palmendach. Wissen Sie wie Kinderaugen unter demWeihnachtsbaum aussehen, so schauten wir auf ein überdimensionales gigantisches Buffet. Bon Noel!!!

Es war ein Kombination aus Französischer und Japanischer Küche, Sushi und Lammbraten, Salaten, Obst und ein riesiger Schokoladenbaumkuchen . Himmel, mitten unter japanischen und französischen weißen Engeln. Unsere Gefühle schlugen Purzelbäume, das Wasser lief uns im Munde zusammen und bei einem GlasRotwein prosteten wir uns erst einmal herzlich zu „ Frohe Weihnachten“!!

„Frohe Weihnachten Flöhchen“ sagte ich. „Schön das es Dich gibt meine große Schwester“ antwortete Heike. Wir lagen uns in den Armen und genossen das gegenseitige warmherzige, liebevolle Gefühl.

Am Buffet begrüßte mich dann ein riesengroßer roher Thunfisch mit Sojasauce. Dich werde ich verspeisen! Unser Kapitän, er saß zu meiner Rechten, schenkte uns unermüdlich Rotwein aus einer großen, bauchigen Glaskaraffe ein. Ich mochte mich täuschen, aber die Stimmung an unserem Tisch wurde immer ausgelassener, fröhlicher und gar nicht ruhig und besinnlich.

Wir aßen Unmengen leckerster Speisen, spülten sie mit köstlichen Getränken herunter und rundeten unser Menü mit dem Schokoladenbaumkuchen ab. Plötzlich tauchte ein merkwürdig bärtiger eher unecht aussehenderWeihnachtsmann auf und mit einer Polonaise forderte er uns auf ihm in die Bar zu folgen. Dort begrüßte uns Michael Jackson (natürlich sein Double).

Haben Sie schon einmal in der Heiligen Nacht mit Michael Jackson zu Thriller getanzt?

Halleluja, warum nicht!!!  Das ganze unter freiem Himmel und 30 Gard ?  Halleluja!! Und ohne Regen!!!  Ein dreifaches Halleluja, es hatte aufgehört.

Es wurde spät, nein, es wurde früh, ganz langsam färbte sich der Himmel rot und die Sonne blinzelte am Horizont. Time to say goodbye. Unser Dony-Führer hatte netterweise ausgeharrt und freute sich uns wieder an Bord begrüßen zu dürfen.

Der Sonnenaufgang führte uns Heim und wir trällerten Lieder wie „ OhTannenbaum „ und „ Oh Du Fröhliche“. Das Morgengrauen stimmte uns melancholisch.

Zurück in unserer Bar überkam uns ein letzter Durst auf ein kühles Bierchen, begleitet von einem letzten gemeinsamen Weihnachtstanz klang den HeiligenAbend langsam aus. Es war so schön. „Bis später, schlaft schön“.

Good mornung“, hörte ich den Surflehrer sagen, ich war gerade auf dem Wegzu einem erfrischenden Bad in den Ozean. „ Merry Christmas“ antwortete ich einige Minuten später, aus dem Meer zurückkommend und frisch wie ein Fisch!!

Kein Kater, kein Kopfweh, keine Bauchschmerzen, war es der Thunfisch oder das Klima?

„ Guten Morgen meine liebe Schwester“ Heike rollte sich langsam aus dem Bett, „wollen wir einen Kaffee trinken“

Der Tag begann mit Sonnenschein, der Speisesaal war festlich geschmückt.

Etwas ozeanisch artete der Weihnachtsbaum an, er stand im Sand, – 2m groß,war nicht Grün sondern Gold und hatte viele bunte Kerzen. War in der NachtSanta Claus mit seinen Rentieren vorbeigekommen und hatte ihn abgesetzt?

Den Vormittag verbrachten wir mit Bescherung, Geschenken und wieder jede Menge Plätzchen.

Am Mittag, wir hatten schon lange nichts mehr gegessen, gab es originalitalienisches Menü, frische Spagetti mit Tomatensauce und Parmesan. Der Besitzer der Insel war Australier und seine Freundin Italienerin, sie war amVortag erst aus Rom eingeflogen, hatte diese leckeren Spezialitäten mitgebracht und wir waren eingeladen. Ade liebe Weihnachtsgans!

Wie ein zusätzliches Weihnachtsgeschenk präsentierte sich am Abend der Himmel in den schönsten Farben. Zum atemberaubenden Sonnenuntergang zündeten wir bunte Schwimmkerzen an, setzten sie in das seichte Wasser des Indischen Ozeans und wir setzten uns mitten hinein.

„Frohe Weihnachten Mütterchen! Frohe Weihnachten Väterchen!““ hörte ich mich sagen. Die beiden waren mir plötzlich so nah. „Liebe überwindet eben alleDistanzen!

„Du hast so recht Uli“ sagte meine Schwester mit leiser Stimme und schwamm hinaus. „Frohe Weihachten Flöhchen“ sagte ich und folgte ihr.

 

 

 

Die Bilder sind nun schon ein paar Jahre alt und nicht digital – aber dafür so schöner

die Geschichte ist erschienen im Buch “ Fern von daheim“ 2007 im rororo-Verlag